Familiennachzug von Ausländern zu Flüchtlingen in Deutschland
Familienangehörige Asylberechtigter und Flüchtlingen haben nach der Genfer Flüchtlingskonvention als solche keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter oder als Flüchtling.
Die Staaten sollen zwar die Familieneinheit fördern; wie das geschieht, ist nicht weiter reguliert. Für EU-Mitgliedsstaaten (auch Deutschland) gilt jedoch Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie, wonach Familienangehörigen ähnlich Rechte zustehen sollen wie den Flüchtlingen.
Der rechtliche Status der Familienangehörigen von Asylberechtigten und Flüchtlingen hängt am Schutzstatus des Stammberechtigten – also dem, zu dem die Familienangehörigen nachziehen (§ 26 AsylVfG) ab. Zunächst ist also die Anerkennung des Stammberechtigten erforderlich. Wird der Flüchtlingsstatus des Berechtigten widerrufen oder zurückgenommen, so wird der abgeleitete Status der Familienangehörigen auch aberkannt.
Erweitertes Familienasyl / Familienabschiebungsschutz – § 26 AsylVfG
Angehörige eines Asylberechtigten oder international Schutzberechtigten haben die Möglichkeit, nach Stellung eines eigenen Asylantrages bzw. Antrags auf internationalen Schutz beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), „Familienasyl“ oder „internationalen Schutz als Familienangehöriger“ zu erhalten:
- Ehegatten,
- gleichgeschlechtliche Lebenspartner,
- minderjährige ledige Kinder,
- Eltern bzw. Sorgeberechtigte und
- die minderjährigen ledigen Geschwister eines minderjährigen
international Schutzberechtigten (§ 26 Abs. 5 AsylVfG) – aber 2 Jahres Frist bei subsidiär Schutzberechtigten!
Die familiären Bindungen müssen – bis auf die Ausnahme des Familienasyls bzw. Familienabschiebeschutzes begehrenden minderjährigen Kinder – bereits im Herkunftsland bestanden haben.
Die Person, zu der der Nachzug stattfindet, muss unanfechtbar Asyl bzw. internationaler Schutz zuerkannt worden sein und diese Anerkennung kann nicht widerrufen oder zurückgenommen werden.
Tipp: Bei nachziehenden Angehörigen Asylberechtigter bzw. international Schutzberechtigter sollte bei Stellung eines eigenen Asylantrages auf die Möglichkeit hingewiesen, gleichfalls einen Schutzstatus – und nicht nur den familiär bedingten Aufenthalt – zu erhalten; gerade bei subsidiär Schutzberechtigten besteht das Risiko, dass vor einer Zuerkennung von Familienschutz der Schutzstatus des in Deutschland Lebenden überprüft und vielleicht sogar zurück genommen wird.
Familienmitglieder erhalten den Schutzstatus des Stammberechtigten nicht, wenn es sich um Kinder von Eltern handelt, die selbst nur „Familienasyl“ oder einen entsprechenden Schutz erhalten hatten, § 26 Abs. 4 S. 2 AsylVfG.
Nachzug bei subsidiären Schutzstatus – 2 Jahres Frist
Ein automatisches Nachzugsrecht für Flüchtlinge mit lediglich subsidiären Schutzrechten gibt es weder nach deutschem, europäischem oder internationalem Recht.
Mit dem Asylpaket II vom 17.3.2016 wurde – als Übergangsbestimmung – eine Neuregelung in § 104 XIII AufenthG – aufgenommen. Bisher hatte der Bundestag vorgeschrieben, die subsidiär Schutzberechtigten hinsichtlich des Familiennachzugs den Flüchtlingen nach der GFK (Genfer Flüchtlingskonvention) gleichzustellen – also: einen Anspruch bei Nachzug auch, wenn der Lebensunterhalt nicht gesichert war.
Nunmehr gilt zwischenzeitlich:
Vor Ablauf der 2-Jahres-Frist wird der Familiennachzug nicht gewährt. Dies gilt für Schutzberechtigte, denen nach dem 17. März 2016 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 S. 1 2. Alt. erteilt worden ist.
Eine weiteres Problem: Die Frist beginnt erst nach der Registrierung des Asylersuchens. Dieses dauert bei Syrern rund ein halbes Jahr, bei anderen häufig noch viel länger. Folge: Der Familiennachzug wird erst nach mehreren Jahren realisiert!
Allerdings: Man kann bereits vorher einen Antrag auf Familienzusammenführung stellen – mit Blick auf eine spätere Entscheidung, § 22 VwVfG. Mit „Glück“ ist vielleicht auch eine Einreise nach § 22 AufenthG möglich – vor Ablauf der 2-Jahresfrist § 22 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.
Die Anträge sind bei den konsularischen Vertretungen (deutsche Botschaften) zu stellen.
Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten
Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten erfolgt mit dem Aufenthaltsgesetz 2015 an sich nach § 25 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt., früher aus humanitären Gründen (§ 29 Abs. 3 Satz 1 AufenthG).
Humanitäre Gründe für einen Nachzug bestehen nach der Gesetzesbegründung dann, wenn die Herstellung der Familieneinheit im Ausland unmöglich oder unzumutbar ist.
Das ist nicht der Fall, wenn der „Stammberechtigte“ (zu dem der Nachzug erfolgt) zugleich über eine sichere Aufenthaltsmöglichkeit in einem anderen Land hat, die es der gesamten Familie erlaubt, sich dort niederzulassen.
Es kann für den Nachzug von den Voraussetzungen des gesicherten
Lebensunterhaltes und des ausreichenden Wohnraums abgesehen
werden (§ 29 Abs. 2 Satz 1 AufenthG).
Einen zwingenden Verzicht auf den Nachweis von Lebensunterhalt und Wohnraum bei Stellung des Antrages auf Familiennachzug binnen drei Monaten ab Gewährung des subsidiären Schutzstatus – wie bei Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen – gibt es für subsidiär Schutzberechtigte nicht.
1000 im Monat – Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten
Deutschland lässt 1000 Personen im Monat zum Familiennachzug zu.
Wie werden diese ausgewählt?
Auswahlentscheidung durch das Bundesverwaltungsamt nach den Kriterien:
- die stammberechtigte oder nachziehende Person ist minderjährig
- Besondere Notlage („ernsthafte Gefährdung“, Krankheit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit)
- Trennungsdauer beträgt mehr als 2 Jahre
- positiv (deutsche Sprachkenntnisse, Erwerbstätigkeit) oder negativ (z.B. Straffälligkeit) Integrationsaspekte.
Also der Stammberechtigte sollte sich, um den Familiennachzug zu erleichtern, so gut wie möglich integrieren!
Vor Abschiebung geschützt, § 60 Abs. 5; 7 AufenthG
Wird der Stammberechtigte nur vor der Abschiebung geschützt, also in den Fällen des § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG, so werden die Familienangehörigen nicht geschützt. Hintergrund: Der vor der Abschiebung Geschützte ist an sich verpflichtet, Deutschland zu verlassen. Auf die Vollstreckung der Abschiebung wird (zunächst) verzichtet. Es soll kein Nachzug zu jemanden stattfinden, der (kurzfristig) wieder Deutschland verlassen muss.
Aber die Praxis ist leider häufig anders: Die nur vor der Abschiebung geschützten Ausländer bleiben über Jahre in Deutschland. Ihre Integration wird durch den mangelhaften Status und die Bindung zur eigenen Familie erschwert. Hier ist der Gesetzgeber gefragt!
Erleichterter Familiennachzug nach § 29 Abs. 2 AufenthG
Die Ausländerbehörde kann bei Asylberechtigten und GFK-Flüchtlingen – in Umsetzung von Art. 12 Abs. 1 Unterabsatz 1 Familienzusammenführungsrichtlinie keinen Nachweis für ausreichenden Wohnraum, Krankenversicherung und Unterhaltssicherung verlangen. Nachweise kann die Behörde jedoch dann verlangen, wenn die Familienzusammenführung auch in einem Drittland möglich wäre.
Achtung: Die Ausländerbehörde kann jedoch solche Nachweise verlangen, wenn der Antrag auf Familienzusammenführung nicht rechtzeitig gestellt wurde!
Der Antrag muss innerhalb einer Frist von drei Monaten ab bestandskräftiger Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfolgen- also grundsätzlich mit Bekanntgabe des Bescheides durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (§ 29 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 AufenthG).